Was man über die aktuelle Zinsentwicklung wissen sollte

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich von ihrer jahrelangen Nullzinspolitik verabschiedet. Grund ist die anhaltend hohe Inflation im Euroraum. Aber auch in anderen Regionen der Welt ist die Inflation stark angestiegen. Das sieht man beispielsweise daran, dass auch die Federal Reserve in den USA ihre Zinsen merklich angehoben hat. All dies hat massive Auswirkungen auf die Kreditkosten am Markt. Dieser Artikel erläutert die aktuelle Zinsentwicklung und veranschaulicht, was Kreditnehmer hierüber wissen sollten.

17.05.2023, 07:15 Uhr von
EZB
Bildquelle: pixabay.com nikon89 CCO Public Domain / EZB

Darum hebt die EZB ihren Leitzins an

Die EZB hat über viele Jahre hinweg eine Nullzinspolitik verfolgt. Das Ziel hierbei bestand darin, stark verschuldeten Euroländern die Möglichkeit zu geben, sich günstiges Geld am Markt zu besorgen. Hierdurch sollte ein Zusammenbrechen der Eurozone verhindert werden. Aktuell schätzt die Zentralbank eine Gefahr jedoch deutlich größer ein: die massiv angestiegene Inflation. Diese ist sowohl für Konsumenten als auch für Staatshaushalte äußerst schädlich und soll daher bekämpft werden. Das Ziel ist es, die Inflation langfristig wieder auf einen Wert von 2% zu bringen.

Um dieses Ziel zu erreichen, erhöht die EZB ihren Leitzins kontinuierlich immer weiter. Hierdurch sollen weniger Kredite vergeben werden, sodass weniger Geld im Umlauf ist und hierdurch die Inflation sinkt. Weniger Geld bedeutet nämlich eine geringere Nachfrage und somit sinkende Kosten. Da dieses Ziel noch in weiter Ferne zu liegen scheint, hat die EZB ihren Leitzins erst kürzlich wieder angehoben. Aus Angst vor einer Rezession, die mindestens ebenso schädlich ist wie eine starke Inflation, wird jedoch nicht übermäßig stark an der Zinsschraube gedreht.

Auswirkungen der neuen Zinspolitik auf Kredite

Banken bekommen heutzutage wieder gute Zinsen, wenn sie ihr Geld bei der EZB parken. Sie haben somit weniger Interesse daran, Kredite zu vergeben, als zu der Zeit, als sie noch Strafzinsen auf bei der EZB geparktes Geld bezahlen mussten. Entsprechend sind sie bei der Vergabe von Krediten deutlich strenger, um ein möglichst geringes Ausfallrisiko zu erreichen.

Gleichzeitig heben die Banken ihre Zinsen für Kredite immer weiter an. Da es für sie immer teurer wird, sich frisches Geld zu organisieren, müssen auch Kreditnehmer deutlich mehr bezahlen als noch vor einem Jahr. Im Durchschnitt mussten Kreditnehmer 2022 6% Zinsen für ihre Kredite bezahlen, 2021 waren es durchschnittlich 5,54%. Im ersten Quartal 2022 waren die Kredite sogar so günstig wie in keinem Quartal seit 2003. Seither hat sich allerdings viel getan.

Neben der hohen Inflation sorgt der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine für Unsicherheit am Markt. Hierdurch sind insbesondere die Energiepreise gestiegen, die ein erheblicher Inflationstreiber sind. Das hat es nötig gemacht, dass die EZB ihre Zinsen anhebt, um der Inflation entgegenzuwirken. Entsprechend lag der effektive Jahreszins für Kredite deutschlandweit durchschnittlich bei 6,81%. Das ist ein erheblicher Anstieg.

Zinsunterschiede zwischen Banken nehmen zu

Banken haben schon immer unterschiedlich hohe Zinsen für ihre Kredite verlangt. Dies ändert sich auch in der aktuellen Situationen nicht. Da Kredite jedoch erheblich teurer werden, müssen Einsparpotenziale so dringend wie noch nie genutzt werden. Es ist deswegen wichtig, einen genauen Preisvergleich für Kredite durchzuführen. So erkennt man, welche Banken wie hohe Zinsen für ihre Kredite erheben und welche Angebote wirklich günstig sind.

Eine aktuelle Umfrage unter Banken zeigt, dass die Entscheidungsträger nicht ganz sicher sind, in welche Richtung sich die Zinsen entwickeln werden. 33% der Befragten gehen davon aus, dass das aktuelle Zinsniveau beibehalten wird. Ganze 60% nehmen hingegen an, dass die Zinsen weiter anziehen werden, was zu einer weiteren Verteuerung von Krediten führen wird. Lediglich 7% gehen davon aus, dass der Gipfel der Zinserhöhungen erreicht ist und dass die Zinsen demnächst wieder fallen werden.

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Fragt man nicht nach den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen am Markt, sondern nach den individuellen Zinsentscheidungen der Banken, so ergibt sich ein etwas anderes Bild. 50% der Befragten geben an, dass die aktuellen Kreditzinsen auf einem gleichbleibenden Niveau verharren werden. Die Zahl derjenigen, die mit einem weiteren Anstieg von Kreditzinsen in ihrem Haus rechnen, liegt hingegen lediglich bei 43%. Auch hier gehen nur 7% davon aus, dass sie die aktuellen Kreditzinsen in naher Zukunft wieder senken können.

Das bedeuten die steigenden Zinsen für Kreditnehmer

Für Kreditnehmer haben die steigenden Kreditzinsen ganz unterschiedliche Auswirkungen. Wer bereits einen Kredit besitzt, bei dem die Zinsbindungsfrist bald ausläuft, sieht sich mit deutlich höheren Kreditkosten konfrontiert. Hier ist Verhandlungsgeschick mit den Banken gefragt, um Kosten einzusparen. Wer hingegen eine lange Zinsfestschreibung vereinbart hat, profitiert hiervon jetzt spürbar und muss weiterhin die niedrigen Zinsen zahlen, die noch vor einem Jahr beziehungsweise zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Kreditvertrags üblich waren.

Wer einen Kredit aufnehmen möchte, um beispielsweise ein Haus zu bauen oder ein Auto zu kaufen, muss jetzt besonders gut rechnen, ob er sich das leisten kann. Das betrifft die Kreditzinsen allgemein, aber auch die monatliche Rate. Es muss unbedingt verhindert werden, dass diese so hoch ist, dass man in finanzielle Schwierigkeiten kommt. Andererseits sollte sie hoch genug sein, um den Kredit möglichst schnell zurückzahlen und unnötig hohe Kosten vermeiden zu können.

Die Zinsunterschiede der einzelnen Kreditinstitute sind wichtig

Wer keinen umfassenden Anbietervergleich durchführt, sondern das erstbeste Kredit Angebot annimmt, zahlt üblicherweise deutlich mehr als nötig für den Kredit. Das zeigt sich an einem einfachen Rechenbeispiel. Wer einen Kredit von 10.000 € bei einer Laufzeit von 84 Monaten aufnimmt, zahlt bei einem Zinssatz von 8% statt 5% über die gesamte Laufzeit 1.000 € mehr an Zinsen als nötig. Deswegen lohnt sich ein genauer Anbietervergleich enorm.

Dieser ist für die Suche nach einem passenden Kredit deutlich wichtiger als die eigentlichen Marktzinsen. Das liegt daran, dass Verbraucher mit Hilfe von Kreditportalen leicht die Angebote unterschiedlicher Banken vergleichen und einander gegenüberstellen können. Somit bereitet es ihnen keine Mühe, günstige Kredite von teuren Angeboten zu unterscheiden und dasjenige zu wählen, das am besten zu ihnen passt. Auf die Marktzinsen haben sie hingegen keinen nennenswerten Einfluss, weswegen diese bei einem Kreditvergleich eine untergeordnete Rolle spielen.

Die Zinsfestschreibung ist aktuell besonders wichtig

Bei der Aufnahme von Krediten spielt aktuell die Zinsfestschreibung eine besonders große Rolle. Wer vor einem Jahr einen Kredit abgeschlossen hat, profitiert noch heute von den historischen niedrigen Zinsen damals. Wer heute einen Kredit aufnimmt, muss daher genau überlegen, für wie lange der Zinssatz vereinbart werden soll, um nicht mehr für den Kredit zahlen zu müssen als unbedingt nötig.

Wer davon ausgeht, dass die Kreditzinsen in naher Zukunft sinken werden, sollte eine kurze Zinsfestschreibung vereinbaren. So kann man neu verhandeln, sobald die Zinsen sinken, und spart hier durch Kosten. Wer hingegen davon ausgeht, dass die Zinsen weiter ansteigen, sollte eine möglichst lange Zinsfestschreibung vereinbaren. So kann man von den vergleichsweise günstigen Kreditzinsen heute auch dann noch profitieren, wenn die Preise angestiegen sind.

Die Bonität bleibt weiter wichtig

Um einen Kredit zu bekommen, spielt die Bonität nach wie vor eine wichtige Rolle. Die Banken und Kreditinstitute informieren sich bei Auskunfteien wie der Schufa genau über die Zahlungsfähigkeit und Zahlungsmoral von Antragstellern. Sie wollen wissen, wie zuverlässig diese ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen, um ihr Ausfallrisiko einschätzen und minimieren zu können. Neben diesen offiziellen Daten holen sie zudem üblicherweise eine Haushaltsrechnung und eine Selbstauskunft ein, um sich ein möglichst umfassendes Bild von den Antragstellern machen zu können.

Daher ist es auch in Zeiten hoher Kreditzinsen nötig, für eine möglichst gute Bonität zu sorgen. Das schafft man beispielsweise, indem man Rechnungen immer pünktlich und vollständig bezahlt und nur so viele Kreditkarten und Bankkonten hat, wie man tatsächlich benötigt. Ebenso ist es eine sinnvolle Strategie, eine kostenlose Selbstauskunft bei den Auskunfteien einzuholen. So hat man einen guten Eindruck von der eigenen Bonität und kann veraltete oder fehlerhafte Daten aktualisieren oder löschen lassen.

Weitere Möglichkeiten, um die Kreditzinsen niedrig zu halten

Neben den bereits genannten Aspekten gibt es noch weitere Möglichkeiten, um die Kreditzinsen so niedrig wie möglich zu halten. Hierzu gehört unter anderem, eine geeignete Kreditsumme zu wählen. Diese sollte einerseits so hoch sein, dass damit sämtliche Kosten für ein Projekt bezahlt werden können und trotzdem noch ein Puffer zur Verfügung steht. Andererseits sollte die Kreditsumme möglichst niedrig sein, da mit einer höheren Summe ein höheres Ausfallrisiko für die Banken und Kreditinstitute und somit höhere Kreditzinsen einhergehen.

Ein weiteres wichtiges Kriterium, das Einfluss auf die Zinskosten nimmt, ist die Laufzeit des Kredits. Grundsätzlich ist es so, dass ein Kredit umso weniger kostet, je schneller er zurückgezahlt ist. Entsprechend sollte man eine kurze Laufzeit wählen. Wenn das allerdings bedeutet, dass die monatliche Kreditrate unverhältnismäßig hoch ist, sollte man lieber auf eine längere Laufzeit setzen. Ansonsten verliert man finanzielle Flexibilität im Alltag und die Gefahr, eine Rate einmal nicht zahlen zu können, steigt.

Konsumentenkredite sind dem Dispokredit vorzuziehen

Nach wie vor entscheiden sich zu viele Kreditnehmer dafür, ihren Dispokredit in Anspruch zu nehmen. Für sie ist entscheidend, dass sie das Geld sofort zur Verfügung haben und keinen Kreditantrag stellen müssen. Allerdings sind die Dispozinsen deutlich höher als Zinsen von Konsumentenkrediten. Das liegt daran, dass die Banken nicht wissen, wann sie ihr Geld zurückerhalten und wofür es verwendet wird. Diese Unsicherheit lassen sie sich durch hohe Dispozinsen vergüten. Für kurzfristige Ausgaben ist der Dispo geeignet, wenn das Geld langfristig benötigt wird, ist ein Konsumentenkredit immer die bessere Wahl.

Fazit

Der Kurswechsel der EZB bei ihrer Zinspolitik hat erhebliche Auswirkungen auf die Kreditzinsen am Markt und bei einzelnen Anbietern. Wer heutzutage einen Kredit benötigt, muss daher genau vergleichen, um ein wirklich günstiges Angebot zu bekommen. Denn die Kreditzinsen, die die einzelnen Banken und Kreditinstitute erheben, variieren teilweise stark. Deswegen ist es wichtig, sich genügend Zeit für einen umfassenden Kreditvergleich zu nehmen und vielfältige Merkmale in den Blick zu nehmen.

EZB-Website: ecb.europe.eu

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Daniel Herndler
Chef-Redakteur, Ressort-Leiter Steuern und Finanzen
Daniel Herndler ist Wirtschaftsjournalist, Herausgeber und Chef-Redakteur des Nachrichtenportals Finanz.at. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Steuern, Finanzen und Wirtschaft.
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